SHAHZIA SIKANDER IN "KUNST IM 21. JAHRHUNDERT" (Abtropfgeräusche) (Tee wird eingegossen) [Shahzia Sikander] Dieser Prozess der Miniaturmalerei hat diese Eigenart, die den Vorgang kontrolliert. Im Prinzip färbe ich das Papier, und es muss eine sehr regelmäßige Färbung sein. Das geht langsam, und man muss sozusagen die "Kante" des Tees fließen lassen, und diese Kante kontinuierlich und tropfend abwärts bewegen. Das ist sehr meditativ, und es hat etwas Familiäres, wegen all den Jahren von Erfahrung. (Reiben auf Papier) Wenn ich eines gelernt habe, ist es der Respekt vor der Tradition und der Respekt vor der Geduld, denn man kann gar nichts beim Malen erreichen, ohne sich dabei Zeit zu nehmen. Zeit ist entscheidend. Ich kann also keine Ausstellung innerhalb eines Jahres vorbereiten. Ich brauche drei bis vier Jahre. (Glockenspielmusik) [Shahzia] Miniaturmalerei kommt von der Illustration, der Manuskriptmalerei. Es ist eine alte Kunstform. Diese ganze seltsam aufgestapelte, angehäufte Perspektive, Innenräume, und dann die Andeutung von Fenstern und Türen, die dann die Außenwelt, die spirituelle Welt andeuten, mit einer gewissen Anspielung auf Perfektion. Diese juwelenhafte Transluzenz, die dabei entsteht gibt es nur wegen deiner eigenen Disziplin. Es braucht sehr viele Schichten, mindestens 10 bis 20 Schichten unterschiedlicher Farben, um das aufzubauen. Und du musst sehr vorsichtig sein, denn wenn dein Pinsel zu nass ist, dann entfernst du die vorherigen Pigmentschichten, da diese nicht versiegelt sind. Also, es ist eben nur Übung. Manchmal, wenn ich aus der Übung bin, dann sind zehn Jahre Erfahrung bedeutungslos. Während meines Studiums in Pakistan mussten wir immer auf dem Boden sitzen, auf weißen Laken, und die Schuhe mussten draußen bleiben. Alles war sehr präzise und sehr sauber und sehr minimalistisch, und man hat seine Arbeit gemacht und dabei die Augen trainiert. Dabei hatte man seine Arbeit mindestens 30 cm von den Augen entfernt. es war sehr methodisch und zudem auch sehr ritualistisch. (Glockenspielmusik) Ich denke, die Miniaturmalerei zu erlernen war für mich einfach nur Malen! Ich habe dabei verstanden, was der Sinn des Malens ist. Ich arbeite eben nicht auf Leinwand, sondern auf Papier mit bestimmten Materialien. Aber es ging genauso um Oberfläche, Palette, Form, Komposition, Stilisierung. Die Selbstdarstellung kam erst später. (Glockenspielmusik) Der Großteil meiner Arbeit ist sehr persönlich, und entsteht aus der Erinnerung. Sieh dir diese spezielle Umrandung an. Man nennt das "auf der Schrift reiten". Und ... Hier wird Text sozusagen zu Pferden, da eine Bewegung angedeutet wird, und dieser Aspekt basiert auf meiner Erfahrung den Koran zu lesen. Allerdings las ich den ohne Verständnis, da ich ein Kind war. Ich konnte zwar arabisch lesen, aber nicht verstehen. Und woran ich mich erinnere, ist diese großartig visuelle Erinnerung, bei der die Schönheit des Wortes alles andere verdrängt. Das hat zwar eine Bedeutung, aber es geht debei um mehr, nämlich die Fähigkeit des Textes, dich zu einer anderen Ebene zu führen. Mein Grundanliegen an der Miniaturmalerei war der Bruch der Tradition, mit Experimenten neue Bedeutung zu finden und ihre Relevanz zu hinterfragen. (Papierrascheln) Am Anfang meiner Arbeit, egal wie groß, steht eine simple Zeichnung, die ich auf Transparentpapier anfertige. Viele meiner Abbildungen gibt es wegen meines Interesses daran, Hindu- und Muslimkonzepte miteinander zu verschmelzen. Da ich als Muslima in Pakistan aufgewachsen bin, wusste ich nicht besonders viel von Hindu-Mythologie, und als ich hierherkam, fiel mir auf, dass diese Dinge mich sehr interessierten. Und dann habe ich mir die Idee der Hindu-Göttin angesehen. Es war egal wie viele Hände sie hatte. Doch die Idee eines Frauenkörpers mit vielen Händen war schon wichtig, aber die Göttin hatte ein sehr spezifisches Gesicht, und hier ließ ich das Gesicht weg, und ersetzte es mit einer Kopfbedeckung wie einem Schleier, und nun ist die Hindu-Göttin eben verschleiert, was nicht als abwertend auf ihr Gesicht zu verstehen ist. In dem Moment, wo du das Wort Schleier mit einbringst, verbindet dich das mit einer Muslim-Identität, oder einfach nur einer weiblichen Identität, und das sind die Probleme, die du bewältigst, denn alles was man heute mit Islam assoziiert, ist Terrorismus oder Unterdrückung von Frauen. Kulturell habe ich etwas anderes erlebt. Meine Großeltern und meine Eltern waren sehr progressive Menschen, die uns unterstützten. Mein Großvater war sehr ermutigend, wenn es um Karrieren für Frauen ging, und alle Mädchen in der Familie haben was aus ihrem Leben gemacht. [Mutter] Ich wollte nicht, dass sie am National College of Arts studiert, sondern eher Architektur, da das Aussichten hat. Und, als sie sagte, es sei "bildende Kunst", dachte ich, da hängst du bestenfalls ein paar Bilder zu Hause auf, als ob das eine Zukunft hat! [Shahzia lacht] - [Shahzia] Das ist gemein! - [Mutter] Also ich war eher skeptisch! (Maschinengeräusch) [Shahzia] Diese Art von Arbeit war das genaue Gegenteil von Miniaturmalerei. Diese spezielle Installation ist wesentlich spontaner, und es ist immer eine Herausforderung, denn man muss schnell Entscheidungen treffen. Da muss mein ganzer Körper ran. Ich arbeite sozusagen in der Galerie. Leiter hoch und runter. Und ich male, und am Ende wird was draus. Es dauert so vier bis fünf Tage. Da wird so eine gewisse Energie frei. Ich gönne mir kaum Pausen, wenn ich mehrere Bilder übereinander hänge. Es gibt keine Absicht etwas zu verstecken. Alles ist sehr gut zu sehen. Das Papier ist transparent. Es gleitet. Es bewegt sich. Die Idee dabei ist die Beziehung zwischen Verschleierung und Entblößung. Ich mache ständig Fotos, mache Skizzen oder Notizen, und die hab ich immer dabei, wo auch immer ich hingehe. Ich habe noch so viele Sachen aus Pakistan und so viel aus Texas, und dann, jedesmal wenn ich anfange zu arbeiten, wird das alles wieder ausgepackt. Für mich sind das immer diese göttlichen Kreisläufe. (Kichert) Weißt du, du erlebst was and fängst immer wieder neu damit an. Bei meinen großen Wandbildern komme ich immer wieder zur Miniaturmalerei zurück. Ich kann die Miniaturen für eine Weile hassen, da sie mich aus verschiedenen Gründen frustrieren. Man macht so etwas Aufwändiges, wo man Jahre dafür braucht, und dann denke ich, "Warum mache ich das überhaupt?" Dann mach' ich erstmal was anderes, und mach später damit weiter. Vielleicht ist es die Tatsache es einfach nur zu tun, die mir einen gewissen Frieden bereitet. (Pianomusik) SPIRITUALITÄT (Werbung zum Begleitvideo und Begleitbuch zur Sendung, erhältlich bei pbs.org)