Bringen wir die Sorge wieder
in die Gesundheitsfürsorge zurück.
Seit 15 Jahren arbeite ich
im Gesundheitswesen,
und was mich zu diesem
Bereich hingezogen hat,
war mein Interesse an der Pflegekomponente
unserer Gesundheitssysteme --
genauer gesagt
an der unbezahlbaren Rolle von Pflegenden.
Wie viele von Ihnen hier würden
sich selbst als Pfleger bezeichnen?
Damit meine ich, wie viele
von Ihnen haben jemand gepflegt,
der an einer Krankheit, Verletzung
oder Behinderung leidet?
Können Sie die Hand heben,
wenn das der Fall ist?
Fast die Hälfte.
Ich möchte allen danken,
die die Hand gehoben haben,
für ihre Zeit als Pflegeperson.
Was Sie tun ist extrem wertvoll.
Ich bin selbst ein ehemaliger
versorgter Patient.
Als Jugendlicher litt ich
an Lyme-Borreliose
und erhielt eine 18-monatige
Antibiotikumbehandlung.
Ich wurde mehrfach falsch diagnostiziert:
bakterielle Meningitis,
Fybromyalgie, was auch immer.
Sie fanden es nicht heraus.
Dass ich heute hier vor Ihnen stehe,
liegt daran, dass ich mein Leben
der Sturheit und dem Einsatz
einer Pflegeperson verdanke.
Er tat alles was er konnte für mich --
fuhr lange Strecken von einem
Behandlungszentrum zum anderen,
suchte nach der besten Option,
und vor allem gab er nie auf,
trotz der Schwierigkeiten,
auf die er stieß,
auch aus Sicht von
Arbeits- und Lebensqualität.
Das war mein Vater.
Ich genas, vor allem Dank seiner Hingabe.
Diese Erfahrung machte mich
zu einem Patientenfürsprecher.
Je genauer ich hinsah, desto mehr sah ich
Pfleger die gleiche Unterstützung bieten,
die mein Vater mir gegeben hatte,
sie spielen eine zentrale Rolle
im Gesundheitswesen.
Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen,
dass ohne solche Pflegende wie er
unsere Gesundheits- und Sozialsysteme
zusammenbrechen würden.
Dennoch wird das meist nicht anerkannt.
Ich reise von weit an
für die Pflege meiner Mutter,
die unter mehreren
chronischen Krankheiten leidet.
Jetzt verstehe ich erst recht,
welche Beanspruchungen
Pflegenden abverlangt werden.
Mit einer alternden Bevölkerung,
wirtschaftlicher Instabilität,
Druck im Gesundheitswesen
und vermehrten, chronischen
Langzeitpflegefällen
ist die Bedeutung von und
Anforderung an pflegende Angehörige
größer denn je zuvor.
Weltweit opfern Pflegende
ihr eigenes körperliches,
finanzielles und
psychosoziales Wohlbefinden,
um ihre Liebsten zu pflegen.
Pflegende haben ihre
eigenen Grenzen und Bedürfnisse.
Mangels ausreichender Unterstützung
können viele an ihre
Belastungsgrenze kommen.
Einst als private Angelegenheit
des Familienlebens angesehen,
ist unbezahlte Pflege weltweit
zur unsichtbaren Stütze
unserer Gesundheits-
und Sozialsysteme geworden.
Viele der Pflegenden
sind sogar in diesem Raum,
wie wir gerade gesehen haben.
Wer sind sie und wie viele gibt es?
Mit welchen Herausforderungen
sind sie konfrontiert?
Aber wie können wir vor allem dafür
sorgen, dass ihr Wert für die Patienten,
unser Gesundheitswesen
und die Gesellschaft
anerkannt wird?
Tatsächlich kann jeder
eine Pflegeperson sein:
ein 15-jähriges Mädchen, das ein
Elternteil mit multipler Sklerose pflegt;
ein Vierzigjähriger, der Vollzeitarbeit
und die Pflege seiner Familie
hinkriegen muss;
ein Sechzigjähriger, der seine Frau
mit Krebs im Endstadium pflegt
oder eine Achtzigjährige,
die ihren Mann pflegt,
der Alzheimer hat.
Pflegende tun die unterschiedlichsten
Dinge für ihre Patienten.
Sie leisten persönliche Pflege,
wie jemanden anzuziehen,
sie zu füttern,
sie zur Toilette zu begleiten,
sie helfen ihnen, klarzukommen.
Sie leisten auch ein wesentliches
Maß medizinischer Pflege,
denn sie wissen oft viel über Verfassung
und Bedürfnisse ihrer Liebsten,
manchmal besser als die Patienten selbst,
die durch die Diagnose gelähmt
oder verwirrt sein können.
In diesen Situationen
sind Pflegende auch
Fürsprecher für die Patienten.
Von zentraler Bedeutung ist auch,
dass die Pflegenden auch
emotionale Unterstützung leisten.
Sie organisieren Arzttermine,
sie verwalten Finanzen
und sie erledigen auch
die täglichen Hausarbeiten.
Das sind Herausforderungen,
die wir nicht ignorieren können.
Zurzeit gibt es über
100 Millionen Pflegende,
die in ganz Europa
80 % der Pflege leisten.
Auch wenn diese Zahlen beeindruckend sind,
sind sie wohl unterbewertet, bedenkt man
die fehlende Anerkennung von Pflegenden.
Wie wir gerade sahen,
waren viele von Ihnen nicht sicher,
ob Sie qualifiziert sind,
als Pflegeperson zu gelten.
Viele von Ihnen dachten wohl,
ich meine eine Krankenschwester
oder eine andere Gesundheitsfachkraft.
Genauso erstaunlich
ist der Nutzen, den Pflegende
unseren Gesellschaften bringen.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel
aus Australien von 2015 nennen.
Der Jahreswert durch informelle Pflegende
für jene, die an psychischen
Krankheiten leiden,
wurde auf 13,2 Milliarden
australische Dollar geschätzt.
Das ist etwa das Doppelte dessen,
was die australische Regierung
jährlich für psychische
Gesundheitsvorsorge ausgibt.
Die Zahlen, neben anderen, zeigen,
wenn Pflegende morgen
mit der Pflege aufhören würden,
würden unsere Gesundheits-
und Sozialsysteme kollabieren.
Obwohl die Bedeutung dieser
Millionen lautloser Pflegender
nicht geleugnet werden kann,
werden sie von Regierungen,
dem Gesundheitswesen
und privaten Einrichtungen kaum beachtet.
Außerdem stehen Pflegende vor enormen
persönlichen Herausforderungen.
Viele Pflegende haben höhere Ausgaben
und können in Finanzprobleme geraten,
da sie eventuell nicht mehr
voll arbeiten können
oder gar keinen Beruf
mehr ausüben können.
Viele Studien haben gezeigt,
dass Pflegende oft ihre Gesundheit
und ihr Wohlbefinden opfern,
um ihre Liebsten zu pflegen.
Viele Pflegende verbringen so viel Zeit
mit der Pflege ihrer Liebsten,
dass ihre Familien und Beziehungen
oft darunter leiden.
Viele Pflegende berichten,
dass ihre Arbeitgeber
häufig keine angemessenen
Richtlinien haben,
um sie zu unterstützen.
Doch es gab Verbesserungen
in Anerkennung der Pflegenden
überall auf der Welt.
Erst vor wenigen Jahren
ist eine Dachorganisation
namens International Alliance
of Carer Organizations, IACO,
gegründet worden, um Gruppen von
Pflegenden weltweit zusammenzubringen,
um eine strategische Richtung vorzugeben,
Informationsaustausch zu fördern
und um aktiv für Pflegende
auf internationaler Ebene einzutreten.
Private Einrichtungen beginnen auch,
die Situation der Pflegenden zu erkennen.
Ich bin stolz, dass mein
persönliches Engagement
und Enthusiasmus gegenüber
dem Thema der Pflegenden
an meinem eigenen Arbeitsplatz
Anklang gefunden hat.
Meine Firma setzt sich
für dieses Anliegen ein
und hat einen beispiellosen Rahmenplan
für seine Mitarbeiter und
die Gesellschaft insgesamt entwickelt.
Ziel ist, die Pflegenden zu befähigen,
ihre eigene Gesundheit und
ihr Wohlbefinden zu verbessern
und bessere Balance
in ihr Leben zu bringen.
Dennoch muss noch viel mehr getan werden,
um diese ziemlich isolierten
Initiativen zu ergänzen.
Unsere Gesellschaften stehen
vor erhöhten Gesundheitsbelastungen,
einschließlich alternder Bevölkerungen,
gehäufter Fälle von Krebs
und chronischen Krankheiten,
weit verbreiteter Ungleichheit
und vieles mehr.
Um den Herausforderungen zu begegnen,
müssen Entscheidungsträger über
die gängigen Pfade im Gesundheitswesen
und Beschäftigungspolitik hinaussehen
und anerkennen, dass informelle Pflege
weiterhin das Fundament
der Pflege bleiben wird.
Jemanden zu pflegen,
sollte eine Option sein
und sollte getan werden, ohne
das eigene Wohlbefinden zu gefährden.
Aber um die Pflege wieder in
die Gesundheitspflege zu bekommen,
braucht es einen tiefen,
sozialen, strukturellen Wandel.
Das kann nur durch einen
Bewusstseinswandel geschehen.
Wir können heute damit beginnen.
Heute können wir die Saat
für einen Wandel pflanzen,
für Millionen von Pflegenden weltweit.
Folgendes möchte ich vorschlagen:
Wenn Sie heute nach Hause gehen,
oder morgen früh ins Büro,
umarmen Sie einen Pflegenden.
Danken Sie Ihnen,
bieten Sie ihm oder ihr Hilfe an,
bieten Sie sich vielleicht selbst
für einige Wochen als Pfleger an.
Wenn Pflegende weltweit
sich anerkannter fühlten,
würde das nicht nur deren
Gesundheit, Wohlbefinden
und Gefühl der Erfüllung verbessern,
sondern es würde auch das Leben
derer verbessern, die sie pflegen.
Sorgen wir uns mehr!
Danke.
(Applaus)