< Return to Video

Wie Videospiele ihre Spieler zu Geschichtenerzählern machen

  • 0:01 - 0:06
    Unsere Art, Geschichten zu erzählen,
    hat sich naturgemäß verändert,
  • 0:06 - 0:08
    seit Aristoteles vor etwa 2500 Jahren
  • 0:08 - 0:12
    seine Regeln für das Schreiben
    von Tragödien aufstellte.
  • 0:12 - 0:18
    Ihm zufolge musste die Erzählkunst
    das Leben nachahmen
  • 0:18 - 0:20
    und Gefühle in uns wachrufen.
  • 0:20 - 0:25
    Genau das hat sie, so wie wir
    sie kennen, seitdem sehr gut getan.
  • 0:26 - 0:29
    Aber einen Lebensbereich gibt es,
  • 0:29 - 0:32
    den das Storytelling
    nie wirklich einfangen konnte,
  • 0:33 - 0:36
    und zwar das Konzept der Wahl.
  • 0:36 - 0:39
    Entscheidungen sind ein
    wichtiger Bestandteil unseres Lebens.
  • 0:39 - 0:44
    Wir definieren uns darüber,
    welche Entscheidungen wir treffen.
  • 0:44 - 0:48
    Manche unserer Entscheidungen
    haben weitreichende Konsequenzen
  • 0:48 - 0:50
    und stellen unser Leben auf den Kopf.
  • 0:51 - 0:55
    Aber in einem Theaterstück,
    einem Roman oder einem Film
  • 0:55 - 0:59
    trifft der Autor im Voraus
    alle Entscheidungen für die Charaktere.
  • 0:59 - 1:04
    Wir, das Publikum,
    können nur passiv mitverfolgen,
  • 1:04 - 1:06
    welche Folgen seine Entscheidungen haben.
  • 1:07 - 1:12
    Mich als Geschichtenerzähler hat
    schon immer die Vorstellung fasziniert,
  • 1:12 - 1:17
    das Konzept der Wahl
    in fiktiven Geschichten nachzubilden.
  • 1:17 - 1:23
    Ich träumte davon, das Publikum in die
    Rolle der Hauptcharaktere zu versetzen,
  • 1:23 - 1:26
    sie ihre eigenen Entscheidungen treffen
  • 1:26 - 1:29
    und so ihre eigenen Geschichten
    erzählen zu lassen.
  • 1:31 - 1:36
    Die letzten 20 Jahre habe ich nach
    einem Weg gesucht, das zu erreichen.
  • 1:37 - 1:43
    Nun möchte ich Ihnen diese neue Art
    des Geschichtenerzählens vorstellen,
  • 1:43 - 1:46
    eine Art, die auf Interaktivität basiert.
  • 1:47 - 1:51
    Ich sage nichts zur Theorie dahinter,
  • 1:51 - 1:55
    denn das wäre wohl zu abstrakt
    und auch etwas langweilig.
  • 1:55 - 2:01
    Ich dachte, wir nutzen die Gelegenheit
    doch lieber für ein kleines Experiment.
  • 2:02 - 2:05
    Ich möchte Sie, die TED-Teilnehmer,
    gerne dazu auffordern,
  • 2:06 - 2:09
    Ihre eigenen Geschichten zu erzählen.
  • 2:10 - 2:15
    Deshalb spielen wir jetzt
    eine interaktive Szene miteinander durch.
  • 2:15 - 2:19
    Ich habe Vicky --
    hallo, Vicky -- darum gebeten,
  • 2:19 - 2:22
    unseren Spielercharakter zu steuern.
  • 2:22 - 2:25
    Und Ihre Rolle, liebes Publikum,
  • 2:25 - 2:29
    wird sein, zu entscheiden,
    was passieren soll.
  • 2:29 - 2:31
    Vicky und ich wissen nicht,
    was passieren wird,
  • 2:31 - 2:35
    denn das ist einzig und allein
    von Ihren Entscheidungen abhängig.
  • 2:36 - 2:43
    Diese Szene stammt aus unserem
    nächsten Spiel, "Detroit: Become Human".
  • 2:43 - 2:47
    Es spielt in der nahen Zukunft,
    in der technologische Errungenschaften
  • 2:47 - 2:51
    Androide hervorgebracht haben,
    die wie Menschen aussehen.
  • 2:51 - 2:54
    Wir stecken in den Schuhen
    dieses Charakters, Conner:
  • 2:54 - 2:59
    ein Android, der echt coole Dinge
    mit Münzen machen kann.
  • 2:59 - 3:02
    Auf seiner Brust
    befindet sich ein blaues Dreieck,
  • 3:03 - 3:06
    wie bei allen Androiden.
  • 3:06 - 3:09
    Jetzt lenkt Vicky diesen Charakter.
  • 3:09 - 3:12
    Sie kann umherlaufen,
    dahin gehen, wo sie will,
  • 3:12 - 3:15
    sich umschauen und
    mit ihrer Umgebung interagieren.
  • 3:15 - 3:18
    Durch Entscheidungen
    erzählt sie ihre Geschichte.
  • 3:18 - 3:22
    Hier kommt auch schon unsere erste:
    Da liegt ein Fisch auf dem Boden.
  • 3:22 - 3:25
    Sollen wir ihn retten
    oder ihn dort liegen lassen?
  • 3:25 - 3:29
    Beachten Sie das Zeitlimit,
    wir müssen schnell handeln.
  • 3:29 - 3:31
    Was sollen wir tun?
    Publikum: Ihn retten!
  • 3:31 - 3:33
    David Cage: Gut, retten wir ihn.
  • 3:38 - 3:39
    (Video) (Plätschern)
  • 3:39 - 3:40
    DC: Na also.
  • 3:42 - 3:44
    Gut, unser Android mag also Tiere.
  • 3:44 - 3:48
    Und weiter. Sie müssen wissen,
    es findet eine Geiselnahme statt.
  • 3:48 - 3:51
    (Video) Frau: Bitte, bitte,
    retten Sie meine Kleine ...
  • 3:51 - 3:52
    Was ...
  • 3:53 - 3:55
    Sie schicken einen Androiden?
  • 3:55 - 3:59
    Polizist: Wir müssen jetzt gehen.
    F: Das können Sie nicht machen!
  • 3:59 - 4:02
    Warum schicken Sie keine echte Person?
  • 4:02 - 4:04
    DC: Ihr geht's nicht gut.
  • 4:04 - 4:09
    Sie steht unter Schock, weil ein Android
    ihre Tochter zur Geisel genommen hat.
  • 4:09 - 4:11
    Wir können ihre Wohnung
    weiter durchsuchen,
  • 4:11 - 4:14
    und wie wir sehen,
    stehen die SWAT-Einheiten bereit.
  • 4:14 - 4:18
    Aber zuerst müssen wir
    einen gewissen Captain Allen finden.
  • 4:18 - 4:22
    Wir können uns wie gehabt frei bewegen,
    Vicky steuert nach wie vor den Charakter.
  • 4:22 - 4:26
    Ich glaube, das da ist Captain Allen.
    Er telefoniert gerade.
  • 4:27 - 4:30
    (Video) Connor: Captain Allen?
    Ich heiße Connor.
  • 4:30 - 4:33
    Ich bin der Android,
    den CyberLife geschickt hat.
  • 4:35 - 4:37
    Captain Allen: Er feuert
    auf alles, was sich bewegt,
  • 4:37 - 4:40
    er hat schon zwei
    meiner Männer erschossen ...
  • 4:40 - 4:43
    Wir hätten leichtes Spiel,
    aber sie sind auf dem Balkon.
  • 4:43 - 4:44
    Wenn er fällt,
  • 4:44 - 4:46
    fällt auch sie.
  • 4:46 - 4:50
    DC: Was sollen wir Captain Allen
    jetzt über den Abweichler fragen?
  • 4:50 - 4:53
    Name, Verhalten oder emotionaler Schock?
  • 4:53 - 4:57
    (Video) C: Erlitt er kürzlich
    einen emotionalen Schock?
  • 4:57 - 4:59
    CA: Ich habe keine Ahnung.
    Ist das wichtig?
  • 4:59 - 5:02
    C: Ich brauche Informationen
    für das beste Vorgehen.
  • 5:02 - 5:05
    DC: Noch eine Frage,
    vielleicht erfahren wir mehr.
  • 5:05 - 5:08
    Wonach fragen wir?
    Publikum: Verhalten.
  • 5:08 - 5:11
    (Video) C: Hat er sich zuvor
    schon einmal merkwürdig verhalten?
  • 5:12 - 5:15
    CA: Hör zu, das Kind zu retten,
    ist alles, was zählt.
  • 5:17 - 5:20
    DC: Aus dem ist nichts mehr rauszukriegen.
  • 5:20 - 5:24
    Wir müssen was tun. Gehen wir
    mal zurück in die Eingangshalle ...
  • 5:26 - 5:29
    Moment, ich glaube,
    rechts von dir ist ein Raum, Vicky.
  • 5:29 - 5:32
    Vielleicht gibt's da ja was Interessantes.
  • 5:32 - 5:35
    Ah, da ist ein Tablet.
    Schauen wir uns das mal an.
  • 5:37 - 5:40
    [Wische zum Interagieren
    über das Touchpad]
  • 5:41 - 5:45
    (Video) Mädchen: Das ist Daniel,
    der coolste Android auf der Welt!
  • 5:45 - 5:47
    Sag hi, Daniel!
    Daniel: Hallo!
  • 5:47 - 5:51
    M: Du bist mein bester Freund
    und zwar für immer!
  • 5:51 - 5:56
    DC: Diese Szene kann sich
    auf viele Arten abspielen.
  • 5:56 - 5:58
    Je nach dem, wie man sich entscheidet,
  • 5:58 - 6:03
    sind die Handlungen, Konsequenzen
    und Endresultate komplett unterschiedlich.
  • 6:04 - 6:08
    Jetzt haben Sie einen Eindruck,
    wie interaktives Schreiben funktioniert.
  • 6:08 - 6:12
    Bei linearen Handlungen muss man
    Zeit- und Raumbedingungen beachten,
  • 6:12 - 6:18
    bei interaktiven Handlungen
    kommt das Kriterium der Wahl dazu.
  • 6:18 - 6:23
    Ich muss extrem komplexe
    Dialogbäume konstruieren,
  • 6:23 - 6:26
    in denen jeder Zweig einen
    alternativen Handlungsablauf darstellt.
  • 6:26 - 6:28
    Ich muss genau darüber nachdenken,
  • 6:28 - 6:31
    auf wie viele Arten
    sich eine Szene entfalten könnte.
  • 6:31 - 6:36
    Ich muss Tausende
    und Abertausende Variablen,
  • 6:36 - 6:39
    Bedingungen und Möglichkeiten
    berücksichtigen.
  • 6:39 - 6:44
    Im Gegensatz zu einem Filmdrehbuch,
    das generell etwa 100 Seiten lang ist,
  • 6:44 - 6:50
    füllen solche interaktiven Drehbücher
    daher oft 4000 bis 5000 Seiten.
  • 6:51 - 6:55
    Sie haben nun einen Eindruck davon,
    worum es bei dieser Tätigkeit geht,
  • 6:55 - 7:01
    aber ich glaube, letztendlich
    ist diese Erfahrung sehr einzigartig.
  • 7:01 - 7:04
    Sie resultiert nämlich
    aus der Zusammenarbeit
  • 7:05 - 7:09
    zwischen dem Autor,
    der diese Erzählstruktur kreiert,
  • 7:10 - 7:13
    und dem Spieler, der seine
    eigenen Entscheidungen trifft.
  • 7:13 - 7:16
    Dadurch wird er nicht nur zum Co-Autor,
  • 7:16 - 7:21
    sondern auch zum Mitdarsteller und
    Co-Regisseur seiner eigenen Geschichte.
  • 7:23 - 7:28
    Interaktives Storytelling revolutioniert
    die Art, wie wir Geschichten erzählen.
  • 7:28 - 7:30
    Dank der Entstehung neuer Plattformen
  • 7:30 - 7:34
    wie dem interaktiven Fernsehen,
    Virtual Reality und Videospielen
  • 7:34 - 7:37
    könnte daraus eine
    neue Form der Unterhaltung
  • 7:37 - 7:41
    und vielleicht sogar
    eine neue Kunstform entstehen.
  • 7:41 - 7:44
    Wir werden bestimmt
    in den kommenden Jahren
  • 7:44 - 7:47
    immer mehr berührende
  • 7:47 - 7:51
    und bedeutungsvolle
    interaktive Erlebnisse haben,
  • 7:51 - 7:54
    die den Köpfen einer
    neuen Avantgarde entspringen.
  • 7:54 - 7:59
    Dieses Medium wartet nur auf seinen
    eigenen Orson Welles oder Stanley Kubrick,
  • 7:59 - 8:03
    und ich zweifle nicht daran,
    dass dieser sich bald zeigen
  • 8:03 - 8:05
    und als solcher anerkannt wird.
  • 8:06 - 8:09
    Interaktives Storytelling
    kann zu dem werden,
  • 8:09 - 8:12
    was das Kino für das 20. Jahrhundert war:
  • 8:12 - 8:16
    eine Kunstform,
    die eine neue Ära einläutet.
  • 8:17 - 8:18
    Vielen Dank.
  • 8:18 - 8:21
    (Applaus)
Title:
Wie Videospiele ihre Spieler zu Geschichtenerzählern machen
Speaker:
David Cage
Description:

Hast du dir jemals gewünscht, du könntest die Handlung eines Films oder eines Romans ändern, um deinen Lieblingscharakter zu retten? Genau das macht der Spieledesigner David Cage in seinen Videospielen möglich. In diesen treffen die Spieler Entscheidungen, die eine unglaublich komplexe Handlung formen. In seinem Talk führt Cage eine Live-Demo seines neuen Projektes vor und lässt das Publikum über die Handlungen des Hauptcharakters bestimmen. Ihm zufolge hat das interaktive Storytelling das Potenzial, "zu dem zu werden, was das Kino für das 20. Jahrhundert war: eine Kunstform, die eine neue Ära einläutet", meint Cage.

more » « less
Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
10:09

German subtitles

Revisions