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Warum man Charles Dickens lesen sollte - Iseult Gillespie

  • 0:08 - 0:12
    Das hungernde Waisenkind,
    das um eine zweite Portion Grütze bettelt.
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    Die dahinwelkende alte Jungfer
    im zerschlissenen Brautkleid.
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    Der kaltherzige Geizhals, den der Geist
    der vergangenen Weihnacht heimsucht.
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    Über 100 Jahre nach Dickens' Tod
  • 0:23 - 0:27
    sind diese Figuren aus seinem Werk
    noch immer ein Begriff.
  • 0:27 - 0:32
    Dieses Werk ist so markant, dass daraus
    ein eigenes Adjektiv entstanden ist.
  • 0:32 - 0:37
    Doch was macht seinen Stil so besonders?
  • 0:37 - 0:40
    Dickens' Romane knistern vor Spannung,
  • 0:40 - 0:44
    dank düsterer Schauplätze,
    überraschender Wendungen und Rätsel.
  • 0:44 - 0:47
    Deshalb konnten seine Leser
    nicht genug davon bekommen.
  • 0:47 - 0:50
    Anfangs wurden die Geschichten
    in Episoden veröffentlicht:
  • 0:50 - 0:56
    Man druckte sie kapitelweise
    in preiswerten Literaturzeitschriften
  • 0:56 - 0:59
    und gab sie erst später als Buch heraus.
  • 0:59 - 1:03
    Daher wurde fieberhaft über Cliffhanger
    und Enthüllungen spekuliert,
  • 1:03 - 1:04

    die Dickens sich ausdachte.
  • 1:04 - 1:10
    Fortsetzungsromane erreichten nicht nur
    ein größeres, lesehungriges Publikum,
  • 1:10 - 1:13
    sondern verstärkten auch
    den Rummel um den Autor selbst.
  • 1:13 - 1:17
    Dickens wurde vor allem
    wegen seines Witzes populär,
  • 1:17 - 1:21
    der sich in skurrilen Figuren
    und satirischen Szenarien spiegelte.
  • 1:21 - 1:25
    Seine Figuren zeigen
    die Absurdität menschlichen Verhaltens
  • 1:25 - 1:29
    und ihre Namen verkörpern oft
    Charakterzüge oder soziale Stellungen,
  • 1:29 - 1:32
    wie der unterdrückte Bob Cratchit,
  • 1:32 - 1:34
    der unterwürfige Uriah Heep
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    und der heitere Septimus Crisparkle.
  • 1:38 - 1:42
    Dickens ließ diese schillernden Figuren
    in sozial schwierigem Umfeld agieren,
  • 1:42 - 1:45
    ähnlich der Gesellschaft, in der er lebte.
  • 1:45 - 1:49
    Ein häufiges Thema waren die Veränderungen
    durch die industrielle Revolution.
  • 1:49 - 1:51
    Damals litt die Unterschicht
  • 1:51 - 1:55
    unter elenden Arbeits-
    und Lebensbedingungen.
  • 1:55 - 1:59
    Dickens selbst erlebte
    dieses Elend in seiner Kindheit,
  • 1:59 - 2:02
    als er in einer Schuhcremefabrik
    arbeiten musste,
  • 2:02 - 2:05
    nachdem sein Vater
    ins Schuldgefängnis kam.
  • 2:05 - 2:10
    Dies beeinflusste seine Schilderung
    des Marshalsea Prison in "Klein Dorrit",
  • 2:10 - 2:14
    in dem sich die Hauptfigur
    um ihren verurteilten Vater kümmert.
  • 2:14 - 2:18
    Gefängnisse, Waisenhäuser oder Slums
    sind zwar düstere Handlungsorte,
  • 2:18 - 2:22
    doch dadurch gab Dickens Einblicke
    in das Leben von Menschen,
  • 2:22 - 2:24
    die die Gesellschaft ausblendete.
  • 2:24 - 2:25
    In "Nicholas Nickleby"
  • 2:25 - 2:29
    bekommt Nicholas Arbeit
    beim Schulmeister Wackford Squeers.
  • 2:29 - 2:33
    Er merkt bald, dass Squeers
    schmutzige Geschäfte betreibt,
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    indem er ungewollte Kinder
    gegen eine Gebühr aufnimmt
  • 2:37 - 2:40
    und sie Gewalt und Entbehrungen aussetzt.
  • 2:40 - 2:44
    Auch "Oliver Twist" handelt
    vom Leid der Kinder in staatlicher Obhut.
  • 2:44 - 2:46
    Es beschreibt die grausamen
    Zustände im Armenhaus,
  • 2:46 - 2:50
    wo Oliver Twist
    Mr. Bumble um Essen anfleht.
  • 2:50 - 2:55
    Als er nach London flieht,
    gerät er ins kriminelle Milieu.
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    Diese Geschichten schildern
    das viktorianische Leben
  • 2:58 - 3:00
    oft als schmutzig, schlecht und grausam.
  • 3:00 - 3:02
    Aber Dickens beobachtete auch,
  • 3:02 - 3:06
    dass zu seiner Zeit
    alte Traditionen verschwanden.
  • 3:06 - 3:09
    London wurde langsam
    zur Keimzelle der modernen Welt
  • 3:09 - 3:13
    mit neuen Modellen für Industrie,
    Handel und soziale Mobilität.
  • 3:13 - 3:16
    Darum ist Dickens' London
    ein dualistischer Ort:
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    eine raue Welt voller Wunder
    und Möglichkeiten zugleich.
  • 3:21 - 3:25
    Z. B. geht es beim Rätsel
    von "Große Erwartungen"
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    um das Potenzial von Pip, einer Waise,
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    die ein anonymer Gönner
    aus dem Dunkel holt
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    und in die gehobene Gesellschaft lanciert.
  • 3:33 - 3:38
    Auf seiner Sinnsuche wird Pip
    Opfer der Pläne anderer für ihn
  • 3:38 - 3:41
    und muss Umgang mit
    undurchsichtigen Gestalten pflegen.
  • 3:41 - 3:43
    Wie bei vielen von Dickens' Helden
  • 3:43 - 3:47
    ist die Stellung des armen Pip
    ständig gefährdet.
  • 3:47 - 3:49
    Dies ist nur ein Grund,
    warum die Lektüre von Dickens
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    ein Hochgenuss für den Leser
    und ein Alptraum für seine Figuren ist.
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    Dickens bot am Ende seiner Romane
    gewöhnlich klare Lösungen --
  • 3:59 - 4:02
    mit Ausnahme von
    "Das Geheimnis des Edwin Drood".
  • 4:02 - 4:07
    Der Roman erzählt vom rätselhaften
    Verschwinden der Waise Edwin.
  • 4:07 - 4:10
    Doch Dickens starb,
    bevor er den Roman beenden konnte,
  • 4:10 - 4:14
    und hinterließ keinerlei Hinweise
    auf die Lösung des Rätsels.
  • 4:14 - 4:19
    Die Leser diskutieren immer noch eifrig,
    wen Dickens als Mörder vorsah
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    und ob Edwin Drood
    überhaupt ermordet wurde.
  • 4:24 - 4:28
    In vielen Verfilmungen,
    literarischen Hommagen und den Romanen
  • 4:28 - 4:33
    klingen Dickens' geschliffene Sprache
    und umfassende Weltsicht weiterhin nach.
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    Heute impliziert das Adjektiv "Dickensian"
  • 4:36 - 4:39
    oft ärmliche Arbeits-
    und Lebensbedingungen.
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    Doch für einen Roman ist
    das Attribut "Dickensian" ein großes Lob,
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    da Abenteuer und Entdeckungen
    an Orten zu erwarten sind,
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    an denen man sie am wenigsten vermutet.
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    Obwohl sich Dickens oft
    mit trostlosen Themen beschäftigte,
  • 4:53 - 4:55
    schaffte es sein scharfer Verstand stets,
  • 4:55 - 4:58
    Licht in den dunkelsten Winkeln zu finden.
Title:
Warum man Charles Dickens lesen sollte - Iseult Gillespie
Speaker:
Iseult Gillespie
Description:

Ganze Lektion unter: https://ed.ted.com/lessons/why-should-you-read-charles-dickens-iseult-gillespie

Das hungernde Waisenkind, das um eine zweite Portion Hafergrütze bettelt. Die alte Jungfer, die im zerschlissenen Hochzeitskleid dahinwelkt. Der hartherzige Geizhals, den der Geist der vergangenen Weihnacht heimsucht. Über ein Jahrhundert nach dem Tod von Charles Dickens sind diese Figuren aus seinem Werk noch immer bekannt. Doch welche stilistischen Eigenschaften machen Dickens' Werke so besonders? Iseult Gillespie untersucht diese Frage.

Lektion von Iseult Gillespie, unter Regie von Compote Collective

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TED-Ed
Duration:
05:17

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