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Hört mich jemand?
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Hört mich jemand?
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Hier ist Radio 3, hört mich jemand?
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Tanzte? -- Wer fragt'n?
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Ich frag'. -- Du fragst?
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Ich frag', tanzte?
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Tanz ich? Ich tanz.
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Schön, dann hab' ich ja 'n Stuhl.
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Hallo, guten Abend und willkommen zur dritten Sendung in unserer Reihe
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Shakespeare-Meisterkurs: Ein Schauspieler trainiert
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Wie Sie sich erinnern, haben wir uns letzte Woche vor Allem auf den Körper konzentriert.
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Nun, heute ist die Stimme dran, und wir machen uns an die Spracharbeit.
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Also, hier ist unser Raum, wo ist unser Schauspieler?
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Wir haben das grosse Glück, heute Abend Hugh bei uns im Studio zu haben.
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Hallo Hugh. -- Hi. -- Hi.
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Was hast du uns denn heute mitgebracht, Hugh?
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Ich habe einen Monolog aus Troilus, III.3 ... den Ulysses-Monolog.
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Der Ulysses-Monolog, T&C, drei drei. Das ist auf Seite 66 in Ihrer Cambridge-Ausgabe,
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wenn Sie zuhause mitlesen möchten.
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Also, Hugh.
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Als erstes möchte ich, dass du dir vorstellst, du seist ein Rennwagen, der eine Rennstrecke abfährt.
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In Ordnung? -- Ja. -- Und an dir ist eine Videokamera angebracht, das heisst,
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während du über die Strecke fährst, können wir alle mitsehen.
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OK? OK. Später dann, Hugh, nehmen wir deinen Motor auseinander.
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Stück um Stück. Wir ölen ihn und bauen ihn wieder zusammen.
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Gut. -- Gut? Aber als allererstes sehen wir's uns doch einmal an, was meinst du?
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OK. -- Danke, Hugh.
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Hugh?
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Ja?
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Wieso kauerst du?
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Oh. Entschuldige, ich dachte ...
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Ich glaube nicht, dass wir schon so weit sind, oder doch? -- Nein.
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Einfach den Monolog.
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Die Zeit trägt einen Ranzen auf dem Rücken,
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Worin sie Brocken wirft für das Vergessen,
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Dies große Scheusal
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von Undankbarkeit.
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Ja. Wie du siehst, Hugh, haben wir noch einen langen Weg vor uns, nicht?
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Dann fangen wir doch mal am Anfang an.
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Gut.
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Womit ... Womit, frage ich mich,
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hat sich Shakespeare entschlossen, diesen Satz anzufangen?
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Äääh ... "Die Zeit". Steht am Anfang.
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"Die Zeit".
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"Die Zeiiit." -- ... ja.
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Und wie entscheidet sich Shakespeare, das Wort zu schreiben, Hugh?
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Z, E, I, T.
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Z, E, ...?
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I. -- Iiiiih T. -- Ja.
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Und was für eine Schreibweise von "Zeit" ist das denn?
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Nun, die gewöhnliche Schreibweise.
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Es ist die gewöhnliche Schreibweise, nicht? Es ist die konventionelle Schreibweise.
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Warum also hat Shakespeare aus allen Möglichkeiten, die ihm offen standen,
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gerade diese gewählt? Was denkst du?
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Nun, äh, weil sie uns "die Zeit" im gewöhnlichen Sinn gibt.
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Genausehrgutbraverjunge, weil sie uns "die Zeit" im gewöhnlichen ...
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im konventionellen ... Sinn gibt. -- Ach so!
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Also. Shakespeare hat uns "die Zeit" im konventionellen Sinn gegeben.
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Ja.
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Aber er hat uns hier auch noch etwas anderes gegeben.
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Schau dir die Typographie genau an, was erspähst du?
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Oh, äh ... es ist "Die Zeit" mit grossem D.
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Shakespeares D, ganz schon gross geschrieben, Hugh, nicht wahr? -- Ja.
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Warum.
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Weil der Satz damit anfängt.
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Nun, das ist wohl mit ein Grund.
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Aber ich glaube, da steckt noch mehr dahinter.
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Shakespeare hat uns "die Zeit" im konventionellen Sinn gegeben ...
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M hm.
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... und auch "Die Zeit" im abstrakten Sinn.
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Ah ja. -- Alles klar? -- Ja.
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Meinst du, deine Stimme kann das in den Zuschauer hineintragen? -- Ich hoff's doch.
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Das hoffe ich auch. Schön, versuch's mal.
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Nur das eine Wort?
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Nur das eine Wort für den Anfang. -- Ja. OK.
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Uiuiuiuiuiuiuiuiuiuiui.
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Hugh, Hugh, Hugh.
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Wo sammeln wir uns?
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Oh, im Hintern!
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Immer im Hintern! -- Entschuldige. Natürlich.
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Wir sammeln uns im Hintern. Danke.
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DIE ZEEIIIT
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Was ist da schief gelaufen, Hugh?
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Äh ...
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Ich weiss nicht, ich habe wohl irgendwo im Mittelteil die Orientierung verloren.
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Jetzt möchte ich, dass du "die Zeit" nimmst
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und deine eigenen Gefühle hineinlegst.
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In Ordnung? -- In Ordnung.
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Deine Gefühle von Zerfall und Hoffnungslosigkeit und Tragödie und Verzweiflung,
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Gefühle von Verlust und Trauer und Schmerz.
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Aber auch Gefühle von Hoffnung und Leben, von Liebe und Streben.
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In Ordnung?
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Gefühle von Eifersucht, Neid und Begierde.
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Gut. Äh.
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Übermut?
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Nein, lass den Übermut weg, Hugh.
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Gut. -- Gut?
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Also. Noch einmal, in Ordnung?
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Aber zuerst sollten wir besser ...
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Fühlst du dich bereit für eine kleine Übung, die dein Selbstvertrauen aufbauen
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und deiner Stimmstütze helfen wird?
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Ja. -- Ach, wirklich? Gut.
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Dann möchte ich, dass du mit mir zusammen die Mimenpose einnimmst. In Ordnung? -- Gut.
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Mimenpose ... gut. Jetzt die Hand auf die Schulter ... braver Junge.
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Was ich jetzt möchte ist, dass du, auf 3, mit mir zusammen,
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das Wort "Zeit" zehn mal sehr schnell sagst.
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Gut. -- In Ordnung? -- Ja.
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Ohne den Text? -- Auswendig, ja.
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Also: Drei.
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Zeitzeitzeitzeitzeitzeitzeitzeitzeit, Zeit!
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Siehst du? -- Ach, natürlich!
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Entwickelst du einen Sinn dafür? Diesen Sinn für ...
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Ääääh ...
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Gefasel.
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Diesen Sinn für das, was ich bezeichne als Zeit, die ... zu Unsinn zerfällt, Hugh.
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Ein Sinn für den Unsinn. -- Unsinn.
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Shakespeare wusste, dass er darin steckte, wir können ihm jetzt nicht ausweichen.
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Leg auch dieses Gefühl mit hinein, ja? Vom Hintern aus sammeln.
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Danke.
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ZEIT!
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Hm.
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Viel, viel besser, Hugh!
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Gut gemacht, wir machen Riesenfortschritte. Das ist eine sehr anregende Art, zu Arbeiten.
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Ich bin sehr angeregt. Ich hoffe, Sie sind auch angeregt.
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In Ordnung?
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Also. Hugh.
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Was ich jetzt von dir möchte ist, dass wir sehen, wie gross unsere Fortschritte waren,
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indem du den Rest des Monologs auch noch liest
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und dabei beachtest, was wir gelernt haben.
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OK. Gut. -- Ja? -- Ja.
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Die ZEIT! trägt einen Ranzen auf dem Rücken worin sie Brocken wirft für das Vergessen
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dies große Scheusal von Undankbarkeit.
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Nun, wie Sie sehen: Es gibt noch viel zu tun.
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Aber wir kommen sicher auf Hugh und diesen Monolog zurück,
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vielleicht in userer Serie im Jahr 1988.
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Aber unterdessen. Bis zur selben Zeit nächste Woche
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sagen wir von Shakespeare-Meisterkurs: Ein Schauspieler trainiert
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gute Nacht und Gottes Segen.
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Eh. Ist alles unter Kontrolle.
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Ich mache Dame D8,
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anschliessend Springer H5 auf F4,
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was ausnützt seine schwache Kënigseite.
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Jaaa.
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Ist starker Zug.
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Dame D8
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Ey, was macht'n der jetzt?
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Vorher war alles schön schwarz-weiss-schwarz-weiss, bis ganz unten.